Streuobstwiesen

Seit Jahrhunderten prägen Streuobstwiesen unsere Kulturlandschaft. Die heute verbreiteten Obstbäume kamen allerdings erst nach Mitteleuropa, als das Imperium Romanum seine Macht nach Norden ausdehnte. Nach seinem Untergang wurden die Obstsorten vor allem in Klostergärten kultiviert, bevor die Kommunen Obstbäume pflanzten und die Landesfürsten ihre Anpflanung förderten und forderten. Lange galten die Obstbäume als Hindernis für die Feldarbeit, bis das Obst als Obernutzung eigene Erträge brachte, zusätzlich zur Unternutzung für den Getreide- oder Gemüseanbau, als Viehweide oder Mähwiese. So wurden an den bäuerlichen Hofstellen Obstwiesen angelegt, nicht nur um die Familien mit Äpfeln, Birnen und Kirschen zu versorgen, sondern auch für den Verkauf, vor allem an Mostereien. Damit die Flächen zwischen den Bäumen genutzt werden können, müssen die Obstbäume weit genug auseinander stehen und hochstämmig sein. So hat jeder Baum genug Platz und Licht für ein optimales Wachstum und die Krone, die erst ab 180 cm Höhe beginnt, ist vor dem Verbiss weidender Tiere geschützt. Der Ertrag der robusten Früchte ist allerdings eher gering.

Mit dem aufkommenden Welthandel war das heimische Obst gegenüber Importen nicht mehr konkurrenzfähig. Von Staats wegen wurden nach dem 2. Weltkrieg die ‚arbeitstechnisch günstigeren‘, dicht gepflanzten Niederstamm-Plantagen für Tafelobst gefördert, die ohne Unterkultur zumeist mineralisch gedüngt und mit chemisch-synthetischen Pestiziden behandelt werden, was der Insektenwelt schadet und auf den traditionellen Streuobstwiesen nicht geschieht. Zugleich wurden Obstbaumrodungsprämien gezahlt, mit denen Tausende Hektar Streuobstwiesen zerstört wurden. Erst seit den 1990er Jahren wird die ökologische und kulinarische Bedeutung der Streuobstwiesen erkannt und gewürdigt.

Stefan Rösler (2007): Natur- und Sozialverträglichkeit des Integrierten Obstbaus. Arbeitsberichte des Fachbereichs Architektur Stadtplanung Landschaftsplanung, Heft 151, Diss. Kassel, hier: S.54-68

Ökologie von Streuobstwiesen

Streuobstwiesen sind vielfältig nutzbare landwirtschaftliche Biotope von hohem kulturhistorischen Wert. Sie sind die letzten Refugien vieler alter Obstbaumarten, welche in modernen Obstplantagen nicht mehr angebaut werden und ohne diesen Zufluchtsort verschwinden würden. Das Grünland zwischen den Bäumen kann sowohl als Mähwiese (Mahd ein bis dreimal pro Jahr) als auch als Weide genutzt werden. Weil auf den Einsatz von chemischen Pestiziden sowie synthetischen Mineraldüngern verzichtet wird, stellt sich bald eine große Artenvielfalt der Pflanzen ein, da auch wachstumsschwache und mahdempfindliche Arten überdauern können. Diese Biodiversität der Flora bildet neben dem reichlichen Angebot an Totholz die Grundlage für eine artenreiche Insektenfauna. Neben zahlreichen Käferarten, Spinnentieren und Tausendfüßern bieten Streuobstwiesen auch ideale Lebensbedingungen für Wild- und Honigbienen, weshalb sie oft in Verbindung mit der Imkerei stehen. Die Bienen finden ein reiches Angebot an Blühpflanzen, Wildkräutern und Obstblüten vor und helfen ihrerseits entscheidend bei der Bestäubung der Obstbäume. Diese Zwischenwirkungen verdeutlichen das hohe ökologische Potenzial von Streuobstwiesen gut. Insgesamt können über 5000 Tier- und Pflanzenarten auf Streuobstwiesen gefunden werden, darunter auch zahlreiche gefährdete, wie etwa verschiedene Orchideenarten, der Steinkauz und der Siebenschläfer. Besonders Vögeln und baumbewohnenden Fledermäusen bieten die teils alten Obstbäume zahlreiche Brut- und Wohnhöhlen. Durch die gezielte Anlage von Strukturen zum Schutz von Kleinsäugern (z.B. Anlage von Hecken) kann der Habitatreichtum von Streuobstwiesen und damit ihre Biodiversität noch weiter gesteigert werden. Die hohe Artenvielfalt kommt nicht zuletzt auch deswegen zustande, weil das Eingreifen des Menschen insgesamt relativ begrenzt ist und sich zum großen Teil auf baumpflegerische Maßnahmen sowie gegebenenfalls die Mahd beschränkt.